Wechselkröte (Bufo variabilis)

[600] Nahe verwandt, aber doch verschieden, ist die ebenso große Wechselkröte (Bufo variabilis, viridis, sitibundus, roseus und Schreiberianus, Rana variabilis, sitibunda, bufina und picta), welche oben auf graulichweißem Grunde große, unten auf weißem Grunde kleinere, grüne Flecke zeigt, und außerdem sich kennzeichnet durch ihre ziemlich flachen, seitlich eingebuchteten, daher nierenförmigen Ohrdrüsen und die Länge des Vorderfingers, welcher den zweiten merklich übertrifft. Südeuropäische Stücke sind weit lebhafter gezeichnet als deutsche, ihre Grundfarben viel lebhafter, die Flecke schärfer begrenzt und gewöhnlich dunkler umsäumt, so daß unsere deutschen Wechselkröten nur als schwache Nachbilder der südeuropäischen erscheinen.

Die Wechselkröte findet sich nur hier und da in Mittel- und Südeuropa und fehlt manchen Gegenden gänzlich; die Kreuzkröte hingegen wurde bis jetzt nicht bloß in allen Ländern, welche die Erdkröte beherbergen, sondern auch im Norden Afrikas gefunden, verbreitet sich demnach über drei Erdtheile. Einer Angabe Lessona's und Salvadori's zufolge überschreitet jene das Gebiet der Alpen nicht, wogegen diese in ganz Italien gemein und vielleicht die einzige auf Sardinien vorkommende Kröte ist. Im südlichen Tirol hat Gredler nur die Wechselkröte, niemals die Kreuzkröte beobachtet.

Nach der vorausgegangenen ausführlichen Lebensschilderung der Erdkröte kann ich mich bei Beschreibung der Sitten und Gewohnheiten der Kreuz- und Wechselkröte kurz fassen. Beide ähneln jener fast in jeder Hinsicht; doch bemerkt man, daß sie geschickter, behender, munterer und lebhafter sind als erstere. Uebertages halten auch sie sich an ähnlichen Orten verborgen wie ihre Verwandte, nicht selten gesellig eine passende Höhlung bewohnend; nachts treiben sie sich jagend in einem ziemlich weiten Gebiete umher. Ihre Bewegungsfähigkeit bekunden sie nicht bloß durch rasches, ruckweises Dahinhumpeln auf dem Boden, welches mehr einem Rennen als einem Hüpfen gleicht, sondern auch durch verhältnismäßig weite Sprünge, welche sie ausführen, und durch eine Fertigkeit, welche man ihnen kaum zutrauen möchte, aber mindestens an der Kreuzkröte beobachtet hat: durch Klettern nämlich. Zu den Lieblingswohnsitzen der letztgenannten gehören Höhlungen im Gemäuer und in Felsen; solche Höhlungen bezieht sie auch dann, wenn sie bis einen Meter oder mehr über dem flachen Boden in einer senkrechten Ebene münden. Um zu dem einer Erdkröte unnahbaren Eingange zu gelangen, krallt jene sich mit ihren an der Spitze harten Zehen fest in die Fugen des Gesteines, drückt den warzenreichen, kleberigen und feuchten Bauch gegen die Fläche und kriecht so, höchst bedächtig zwar, aber sicher, bis zu ihrer Behausung empor. Rösel meint, und gewiß mit vollem Rechte, daß sie durch festes Anpressen ihrer Zehen und ihrer Bauchseite den Luftdruck zu ihren Gunsten wirken lasse, also in ähnlicher Weise klettere, wie die Laubfrösche. Für die Verschiedenheit der Kreuz- und Wechselkröte, welche man oft als gleichartig bezeichnet hat, dürfte die Beobachtung Gredlers, daß die Wechselkröte niemals klettert, ein Beweis mehr sein.

Angesichts eines Feindes versucht die Kreuzkröte zunächst, so rasch sie kann, zu entfliehen; wird sie aber eingeholt und beunruhigt, so zieht sie in der Angst ihre Haut so zusammen, daß alle Drüsen sich entleeren und sie mit einer weißen, schäumenden Feuchtigkeit bedecken, welche unausstehlichen Geruch verbreitet. Rösel vergleicht denselben mit dem Gestanke abgebrannten Pulvers, Dumeril mit dem einer lange gebrauchten Tabakpfeife oder mit dem des Schwefelarsenik; streng genommen aber, hat der Gestank etwas ganz absonderliches, und ist nur das eine gewiß, daß er uns unerträglich dünkt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß gerade diese Ausdünstung zum besten Schutze unseres Thieres wird, und ihm eine Sicherheit verleiht, welche seine Verwandten nicht genießen. So glaube ich, um nur ein Beispiel anzuführen, nicht, daß der Schlangenbussard auch sie frißt, wogegen, laut Gredler, ein gefangen gehaltener Raubvogel dieser Art die Wechselkröte »jedem anderen Fleische vorzog.«

Erst spät im Jahre, um die Zeit, in welcher der Teichfrosch zur Paarung schreitet, beginnt die Fortpflanzung der Kreuzkröte. Ende Mai oder anfangs Juni finden sich beide Geschlechter in pflanzenbewachsenen, längs der Ufer seichten Gewässern ein, verweilen hier mehrere Tage und [601] machen sich sehr bemerklich, weil die Männchen höchst eifrig und unermüdlich ein dem des Laubfrosches ähnliches, den Silben »krak, krak, krak« vergleichbares Geschrei vernehmen lassen. Naht sich ein Mensch oder ein größeres Säugethier überhaupt der Gesellschaft, so verstummen alle, welche den Ankömmling gewahren; doch gibt es einzelne, welche so hitzig sind, daß sie noch fortknarren, wenn man sie bereits gefangen in der Hand hält. Die Entwickelung der Keime verläuft, der vorgerückten Jahreszeit entsprechend, rasch: schon am fünften Tage bewegen sich die Larven, am sechsten oder achten kriechen sie aus; nach sieben Wochen etwa haben sich die Hinterbeine gebildet; einen Monat später ist der Schwanz bereits eingeschrumpft, und die Kaulquappen suchen nun das trockene Land auf; im vierten oder fünften Jahre gelten sie für mannbar, nehmen aber auch von dieser Zeit ab noch stetig an Größe zu und erreichen höchst wahrscheinlich ein sehr hohes Alter.

Hinsichtlich des Nutzens, welchen die Kreuzkröte leistet, kommt sie der Verwandten gleich, verdient also wie diese die Schonung jedes vernünftigen Menschen.


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Selbst die größten Erdkröten, welche man hier und da, namentlich im südlichen Europa, findet, erscheinen uns noch klein im Vergleiche zu einigen ausländischen Arten, welche man mit Fug und Recht Riesenkröten nennen darf. Ihre Größe hat einige Naturforscher bestimmt, sie in einer besonderen Sippe (Docidophryne) zu vereinigen; da ihre Merkmale jedoch mit denen der Buntkröten vollständig übereinstimmen, erscheint die Trennung beider Gruppen nicht gerechtfertigt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 600-602.
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