An die Königin von Spanien[487] 1

Ein dunkler Nebel deckte weit die Orte,

Da traf ein zarter Klagelaut mein Ohr;

Doch nein! es waren lichte Heldenworte

Der Liebeswahrheit, und aus dieser Pforte

Geht milde Klarheit siegreich bald hervor.[487]


Der Zwiespalt hält das schöne Land zerrissen,

Der edle Garten wird zur Wüstenei.

Der Lügengeist vergiftet die Gewissen,

Die Sitte flieht vor solchen Schlangenbissen;

Die Macht des Bösen wird auf Erden frei.


Das harte Recht sinnt nur auf strenge Rache,

Der Haß durchflammt die blut'ge Finsternis.

Die Wut entadelt selbst die heil'ge Sache,

Daß jeder Hauch dann neu den Brand anfache;

Unheilbar scheint der große Zeitenriß.


Gebietend steigt allein vom Himmel nieder

Im milden Wort des Friedens heil'ge Kraft.

Mit der Verschonung kehrt die Gnade wieder,

Die Balsam träufelt in die wunden Glieder,

Und neue Ordnung den Geheilten schafft.


Du hast das schöne Liebeswort vernommen,

In zarter Seele, deutscher Fürstin Brust.

Vom Himmel ist ein Strahl herabgekommen,

Zum Volke ist der König frei gekommen;

Es schließt sich neu der Bund in Sieg und Lust.


Bezaubert vom hesperischen Gesange,

Fühlt sich das schöne Spanien wieder jung.

Er traf auch mich mit holdem Seelenklange,

Entriß den Lippen in melod'schem Zwange

Das schwache Echo dieser Huldigung.


So eile denn geflügelt durch die Lande,

O Lied! hin zu der königlichen Frau.

Es schwankt die Welt sinkend am Flammenrande.

Es lösen sich der heil'gen Ordnung Bande;

Im Stillen wächst der Zukunft Gottes Bau.


Fußnoten

1 In Beziehung auf das Gedicht Derselben, bei der Abreise König Ferdinands VII. von Madrid; von welchem die spanische Urschrift in Nro. 291 der Beilagen zur Allgem. Zeitung d.J. gestanden hat.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 487-488.
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