[239] Im rosenton Hans Sachsen.
6. octob. 1547.
1.
Eins tages furen auf dem mere
auf Rodis dreißig kaufleut here,[239]
fünfzehen waren cristen und
fünfzehen türkischer bluthunt;
an die kam ein groß ungewitter
von sturmewinden herb und bitter;
Das mer wurt wüten ungestume
mit hohen wellen, um und ume
schlugen an das schif grausamlich,
das fur iez auf, dan unter sich;
all hilf und wer war gar vergebens,
sie all verwogen sich des lebens.
In der galeen der patron
war ein sinreich vernünftig mon
sprach: »wan ir folget meinen sinnen,
wolt wir wol halb dem tod entrinnen,
wan man euch abzelt, klein und groß,
wer der zehent wer nach dem loß,
das man in hinauswerf on gremen,
bis ir fünfzehen hinaus kemen.
2.
Die andern fünfzehen ich eben
darvon wolt bringen mit dem leben.«
des fürschlags gingen sie all ein,
ieder hofft, in der zal zu sein,
die das loß vom tot würt quitiren.
der patron tets übersummiren,
Setzt erstlich zwei cristen mit witzen
und hieß ein Türken zu in sitzen
darnach setzt er drei cristen hin,
fünf Türken setzet er zu in
zwei cristen setzt er darnach wider
und setzt zwei Türken zu in nider;
Vier cristen setzt er an die schar
und einen Türken zu in dar,
zu dem so setzt er einen cristen
und darnach drei Türken mit listen
ein cristen setzt er unter fach
und zwen Türken setzt er darnach;[240]
zwen cristen setzet er behende
und einen Türken an das ende.
3.
Als er sie nun het all gestellet
im kreiß und auch das loß gefellet,
zelt er hinab vom ersten an,
und welcher war der zehent man,
den hub er auf on alle were
und stürzt in in das wütent mere,
Bis das ir in dem mer ertranken
fünfzehen, nach dem loß versanken
darvon das schif war leicht zuhant.
darmit erreichten sie das lant,
in der Rodiser porten furen
und also frei errettet wuren.
Das loß so künstlich war bereit,
das den cristen geschach kein leit;
das loß traf die türkischen hunde,
all fünfzehen gingens zu grunde,
wie man das mit der kreiden mag
verzeichnen: die cristen, ich sag,
mit kreuzen, die Türken mit ringen
und auszelen nach meinem singen.
Buchempfehlung
Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro