Das urteil des herzogs von Burgunt

[241] In dem rosenton Hans Sachsen.


19. october 1547.


1.

In Hochburgund ein ritter saße,

dem trug ein ritter neid und haße,[241]

denselben fing er auf ein tag,

sucht zu im vil ansprüch und klag,

schetzt in um zwelf tausent ducaten,

das bracht sein frau auf nach den taten;

In zwei monaten brachts dem bösen

iren herren darmit zu lösen.

aus bös unzüchtiger begir

begeret der böswicht von ir,

auch vor ein nacht bei ir zu schlafen,

sonst wolt er in am leben strafen.

Die frau erschrak, was erenfrum,

fragt iren man im turn darum

wie sie sich in der sach solt halten.

ir wurt geantwort von dem alten:

»o, du lieber gemahel mein,

weil es ie nit anders kan sein,

so tu dich in sein willen geben,

das mir errettet wert mein leben.«


2.

Nach dem sie die nacht bei im lage,

frü balt nun aufginge der tage,

ließ er den alten ritter aus;

doch auf eim tepich vor dem haus

ließ er im abschlagen das haubet,

in leib, er und auch guts beraubet.

Die frau floch zum herzog behende

von Burgunt, sagt im an dem ende,

wie tirannisch gehandlet het

der ritter; nach dem schicken tet

der herzog und lud in zu gaste

in seinen fürstlichen palaste.

Die frau auch mit in zu tisch saß,

in lauter schwarz bekleidet was,

tet sam het er sie nie gesehen.

nach dem mal tet der herzog jehen

zum ritter: »dises freulein schan

ist ein witwe und hat kein man;[242]

dergleichen hast du auch kein frauen;

wir wöllen dirs elich vertrauen.«


3.

Der red erschrak er, tet sich schemen,

sagt: »dismal wil ich kein weib nemen.«

der herzog blickt in ernstlich an,

sprach: »du must sein der frauen man,

oder hast unser hult verloren.«

als er vermerkt des fürsten zoren,

Er seinen willen darein gabe,

want doch die augen von ir abe.

der fürst sprach: »setz dich und verschreib

alles dein hab und gut dem weib,

versiegels mit dem petschier deine.«

als der brief wart vollent gar feine,

Da gab der fürst in gottes namen

beidesamen elich zusamen.

balt er zu eren bracht die frauen,

ließ er im auch den kopf abhauen.

der frauen wart sein hab und gut,

als die cronica sagen tut,

geschah nach Cristi geburt zware

vierhundert und auch funfzig jare.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 241-243.
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