Apoll und Daphne,

[10] eine Romanze


Apoll, der gern nach Mädchen schielte,

Wie Dichter thun,

Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,

Die Daphne ruhn.


Er nahte sich mit Stutzertritten;

Kein Reh flieht so,

Als Daphne, die mit Zephyrschritten

Dem Gott entfloh.


Sie flog voran, Apollo keuchte

Ihr hitzig nach,

Bis er das arme Ding erreichte,

Am Silberbach.


Da rief sie, rettet mich, ihr Götter!

Die Thörin die!

Zeus winkte – starre Lorbeerblätter

Umflogen sie.


Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte

Sich plötzlich fest

Tief in der Erde. Gaukelnd tanzte

Um sie der West.


Apollo klagte ganze Stunden

Am Lorbeerbaum,

Hielt ihn mit festen Arm umwunden,

Stand, als im Traum.
[10]

Er lehnte seine feuchten Wangen

Ans grüne Holz,

Jüngst eine Nymphe, sein Verlangen,

Der Nymphen Stolz.


Er girrte noch ein Weilchen, pflückte

Nun jenen Kranz,

Der seine blonde Scheitel schmückte,

Bey Spiel und Tanz.


Du arme Daphne! Tausend pflücken

Nun Kränze sich,

Von deinen Haaren, sich zu schmücken,

Du dauerst mich!


Die Krieger und die Dichter hausen

In deinem Haar,

Wie Stürme, die den Wald durchbrausen;

Die Köche gar.


Ja, ja, die braunen Köche ziehen

Dir Locken aus,

Zum lieblichen Gewürz der Brühen,

Beym fetten Schmaus.


Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen! rühren,

Das Warnung spricht,

Und flieht, so lang euch Reize zieren,

Den Jüngling nicht.
[11]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 10-12.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon