Gott, ein Erretter

[183] Finsterniß und schnelle Wetter

Brechen über mich herein;

Und ich sehe keinen Retter,

Keiner Hoffnung blassen Schein.[183]

Deine schweren Donner rauschen,

Gott! vom weiten wider mich:

Aber meine Feinde lauschen;

Mein Verfolger freuet sich.


Sehet! sprechen, die mich hassen,

Unser Netz hat ihn gefällt!

Ja, er liegt und liegt verlassen,

Dem wir lange nachgestellt!

Deine Tücke, schwarze Rotte,

Sind mir wenig fürchterlich!

Ich erzittre nur vor Gotte:

Gott ist aber wider mich!


O entsetzlicher Gedanke,

Sich von Gott verfolget sehn!

Wag ichs, in verwegnem Zanke,

Den Allmächtigen zu schmähn?

Seine schrecklichsten Gerichte

Sind gerecht: was wend ich ein?

O vor seinem Angesichte

Sind die Engel selbst nicht rein!


Will ich mich der Straf entziehen:

Wie umsonst ist meine Flucht!

Mag ein Sterblicher entfliehen,

Den des Höchsten Auge sucht?[184]

Heere, Lager, Scepter, Krone

Schützen den Verbrecher nicht:

Auch beym schimmerreichen Throne

Findet Gott den Bösewicht.


Herr! Mit kindlichem Vertrauen

Hang ich dennoch fest an dir,

O wie sollte mir noch grauen?

Vater, du verzeihest mir!

Ich verfluche meine Sünden,

Die mir deinen Schutz entwandt!

Laß dich finden, laß dich finden,

Wie dich stets die Reue fand!


Wenn der Blitz in deinen Händen

Von entbranntem Zorne schnaubt:

Läßt er sich durch Reue wenden,

Und verschont ein schuldig Haupt.

Du bist nicht ein Mensch, der zürne,

Herr, auf wen? Auf mattes Laub?

Du, der Schöpfer der Gestirne,

Du bist Gott, und ich bin Staub!


Ach! daß ich dich zu beflügeln,

Tag der Hülfe, nicht vermag!

Glänze bald auf unsern Hügeln!

Brich doch an, erseufzter Tag!

Knirscht vor Unmuth, meine Feinde!

Eure Bosheit fällt mich nicht:

Denn ich habe Gott zum Freunde!

Gott ist meine Zuversicht!

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 183-185.
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