Schluß-Gedicht des Vierten Buchs.

[646] Nun komt das End / von dem bedrangten Lieben /

Von dem Gewirr / daß wir bißher beschrieben.

Es ist nunmehr gelangt zu seinem Ziel /

Was so voll Müh gezeuget hat der Kiel.

Polyphilus hat / was er suchte / funden.

Es hören auf zu bluten seine Wunden.

Der vor verletzt / ist jetzo gänzlich heil /

Und süß verknüpft / mit seinem Seelen-Theil.[646]

Macarie / als sie zu zürnen meinet /

Trifft freudig an / was sie so oft beweinet /

Es findt sich / Ihr und ihres Liebsten Stamm /

Durch Gottes Raht / hier wunderbar zusamm.

Nun können sie sich voller Lust vermählen /

Und dürffen nicht ihr Lieben mehr verhehlen.

Philomathus macht sie des Mordes loß /

Eusephilist / sucht einer fremden Schoß.

So hat sich auch die Königin entschüttet /

Der tollen Lust / die sie zuvor zerrüttet /

Die so viel List so lang gewürket hat /

Und gibet Raum der weißen Alten Rath.

Doch heimlich will sie Melopharmis hassen:

Die diesen Hof / aus Geitz / nicht kan verlassen /

Die lieber wählt Verachtung / Schmach und Pein /

Als freyen Muht / ohn Hofnung / reich zu seyn.

So mag sie dann an dieser Ketten hangen /

Und / mit dem Gut / auf ewig seyn gefangen.

Wir sehen jetzt des Agapistus Glück /

Der / höchst vergnügt / den Bruder führt zurück.

Zwar ängstig gnug er diesen hat gefunden:

Doch ist er jetzt von aller Last entbunden.

Diß ist der Lohn / den beyder Treu verdient.

Des Himmels Gunst bey wahrer Freundschaft grünt.

Wer nun bißher die Augen hat gegönnet

Dem Liebes-Paar / das so viel Angst berennet /

Der schaue jetzt den Freuden-vollen Schluß /

Mit welchem sich geendet ihr Verdruß.

Polyphilus hat allen / die da lieben /

In diesem Streit die Waffen vorgeschrieben.

Beständigkeit / Gedult / und Hoffnung siegt /

Ob tausend Noth ein liebends Herz bekriegt.

Macarie / die oft im Zweifel schwebte /

Und die ser Lieb mit Sorgen widerstrebte /

Siht wundrend an / wie Gottes weise Macht /

In diesem Thun so wohl vor sie gewacht.

Sie gibt die Lehr / daß in verwirdtem Quälen /

Man alles soll GOtt und der Zeit befehlen:

Die schaffen offt durch solche Mittel Raht /

Auf die man nie vorher gesonnen hat.[647]

Der Königin bekehrter Wandel zeiget /

Wie unser Sinn zum falschen Wahn geneiget:

Die nie zuvor der Tugend zugehört /

Ward noch durch List und Gaukeley bekehrt.

Doch ist sie ja in diesem zu erheben /

Daß sie nicht will der Warheit widerstreben /

Noch so verhärtt behaupten ihren Schluß /

Daß ihrem Thun die Strafe folgen muß.

Es lebt kein Mensch / der jederzeit erwählet /

Was löblich ist / und nicht zuweilen fehlet:

Wann er nur nicht der Besserung vergisst /

Und stehet auf / wann er gefallen ist.

Noch sehen wir / an Melopharmis Plagen /

Wie Geitz und Ruh / so selten sich vertragen:

Sie hat viel List an dieses Erb gewandt /

Und kommt doch nicht in ihren alten Stand.

Ja / letzlich bricht / was lang zuvor gewancket.

Die Fürsten-Gnad / die einmal ist erkrancket /

Steht schwerlich frisch vom Bette wieder auf /

An Höfen ist nur Wanckelmut zu Kauf.

Die letzte Lehr / kan Agapistus geben:

Der / bloß nach Lieb und Freundschaft / sucht zu leben:

Er gibet nach / was sonst bedenklich scheint /

Damit er nur vergnüge seinen Freund.

So wenig nun dergleichen Treu zu finden /

So eifrig soll sie unser Herz entzünden.

Wer ohne falsch dem Freund geholffen hat /

Der findet auch in seinen Nöten Raht.

Diß ist das Recht / das die Natur uns lehret:

Wer Böses thut / dem Böses wiederfähret;

Wer aber sein Gemüt zur Tugend wend /

Auf dessen Thun / folgt ein erfreutes


Fußnoten

1 [Das Gedicht »Gegen-Satz« ist in der Originalausgabe parallel zum Gedicht »Nach-Wunsch« gedruckt.]


Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673.
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