An Regina, als sie krank war

[434] Im September 1783.


Dein Saitenspiel schweigt;

Nur beugt sich die Wehmuth drüber,

Und ihrer Wehklage Hauch

Weckt all die seufzenden Töne;

Sie wimmern, wie Lispel im Todtenkranze.


Du aber, Regina, liegst und duldest;

Könnten Engel erkranken,

Sie lägen und duldeten so.

Was lächelst du, Regina?

Fühlst du die Nähe des Himmels?

Siehst du auf goldnem Gewölke

Geister liegen, die dein harren?


»Ich sterbe gern«

So sagst du dem weinenden Vater;

»Ich sterbe gern«

So der gesunkenen Mutter.

»Was hat dies Leben für mich?«[434]


Und doch sind dir erst

Siebzehn Frühlinge verblüht;

Doch schmückt dich Schönheit und Unschuld,

Und Gotteslieb' und Menschenhuld,

Und des Herzgefühls Tiefe,

Und des Seelenflugs Höhe,

Mehr, als sie je

Ein sterbliches Mädchen schmückte.


Ich aber lieg' auf meinem Berge,

Und meine Todtenklage hallt

Hinab ins Thal – hinab ins freie Thal.


Ha! was strahlt dort herunter

Aus dem Gewölke der Nacht,

Und erleuchtet deine Hütte, Regina?

Ein Bote des Himmels ist's,

Er bringt Erhörung:


»Regina, lebe!

Sei die Lust der Welt,

Und spät einst

Der Engel Gespielin!

Denn so gebot es der Herr!«


Du richtest dich auf, Regina,

Faltest deine Händ', und blickst

Weinendlächelnd gen Himmel!

Der Harfe stärkster Ton

Drückt meine Wonne nicht aus.


Gestreckt lieg' ich auf meines Berges Rücken,

Und weine des Entzückens süße Thräne,

Des heißen geflügelten Dankes süße Thräne;

Denn, ach! du lebst, Regina, du lebst!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 434-435.
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