Der baurenschinder

[201] In des Müglings hofton.


27. april 1546.


1.

Zu Ertfurt ein juriste saß,

den man schickt auf das lande,

da er den bauren tückisch strelt

um ir bar gelt

am gricht unter der linden.

Eins tags zog er hinaus sein straß,

sein nachbaur wol bekande

sprach: »wo wölt ir hinaus so stil?«

er sprach: »ich wil

aufs lant und bauren schinden.«

Eins mals der nachbaur vor dem tor

spazieret on geferde,

ein bauer hielt zunechst darvor

mit einem toten pferde,

der fragt nachs schelmenschinders haus:

»das mir daraus

mein pfert geschunden werde.«


2.

Der nachbaur mit dem bauren ging

für des juristen hause,[201]

sprach zum bauren: »da sitzt der man;

klopf weidlich an,

wan er sitzt weit dahinden.«

Der bauer zu klopfen anfing

der jurist gutzt herause,

fragt in unwirs, was er begert.

er sprach: »mein pfert

bring ich euch hie zu schinden.«

Er sprach: »heb dich hinweg, du narr!

wer hat dich her geheißen?«

der bauer sprach: »nit also scharr!«

tet auf den nachbaur weisen.

der jurist droet im gar wol

und sprach: »dich sol

der teufel noch zerreißen!«


3.

Zu morgens in vor gricht verklagt

für sölich schmach und schande,

sprach in um dreißig gulden an;

da sprach der man:

»mein unschult wirt sich finden!

Weil der jurist nun selber sagt,

er wolt hinaus aufs lande

und bauren schinden hin und her,

so dacht ich, er

künt tote roß auch schinden.«

Billich schunt der auch tote pfert,

der also on erbarmen

den lebendigen schint auf ert.

wer bei in tut erwarmen,

dem schinden sie ab haut und har,

sein geltlich bar,

und muß durch sie verarmen.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 201-202.
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