Das Vierte BuhßLied, welches zur Zeit grosser Theürung und schwehren Hungersnoht kan gesungen werden

[224] Auf die Melodei des wolbekanten Kirchenlides: Warumb betrübst du dich, mein Hertz.


1.

Du gühtiger, du frommer Gott,

Du starker Helffer Zebaoht,

Du hörest unsre Bitt':

Es komt doch alles Fleisch zu dir,

Drum neige dich auch itz zu Mir.


2.

Du hast gedreüet, daß das Land

Sol werden lauter Stein und Sand'

Und tragen keine Frucht,

Wen unser Sünd und Missethat

Die Theürung wol verdienet hat.


3.

Ach HERR, verzeih' uns doch die Schuld,

Verbann' uns nicht auß deiner Huld,

O Gnadenreicher Gott!

Den du bist unser Zuversicht

In aller Noht: verstoss' uns nicht.


4.

Eröffn' itz deine Vatterhand

Und sättige das gantze Land,

Es steht in deiner Macht:

Du schaffest oft in kurtzer Frist,

Wo nichts zuvor gewesen ist.


5.

Besuche doch das dürre Feld

Und laß dein dunkles WolkenZelt

Sein Wasser schütten auß:

Mach unsern harten Akker weich

Und bald darauf von Früchten reich.


6.

HERR, kröne du das gantze Jahr

Mit deinen Gühtern jmmerdar

Und segne sein Gewächß:

Mach alles frölich, waß da lebt,

Waß hier, im Meer und Lüfften schwebt.


7.

Gott, du bist ja von grosser Kraft,

Der allem Vieh sein Futter schaft,

Der sein Geschöpff erhält;

Den blauen Himmel dekkest du

Mit Segenreichen Wolken zu.


8.

Du lässest wachsen Laub und Graß,

Du machest Berg' und Thäler nass,

Du tröplest süssen Tau:

Du gibst von oben Guß auf Guß,

Von unten manchen Bach und Fluß.


9.

Du machest reich das grüne Meer,

Du segnest auch von oben her

Die Wälder, Berg und Tahl:

Das Vieh' hat Graß und wir die Saat,

Daß alles so zu leben hat.


10.

Du bringest in der Hungersnoht

Auß schwartzer Erden Wein und Brod,

Daß unser Hertz erfreüt:

Du gibest Fische, Fleisch und Mark,

So daß wir werden fett und stark.


11.

HERR, deiner Werke sind so viel,

Sie haben weder Mahß noch Ziel,

Kein Mensch erkent Sie recht:

Es ist geordnet alles wol,

Das Land ist deiner Gühte vol.


12.

HERR, öffne doch dein Wolkenhauß

Und schütte reichen Segen auß,

Beweiß itz deine Kraft,

Die so viel hundert tausend Mann

Hat eh' in Noht gesehen an.


13.

Du bist ja noch derselbe Gott,

Auf welches Winken und Gebott

Der Akker fruchtbar wird:

Theil' auß dein Segen weit und breit

In diser hochbedrängten Zeit.


14.

Eß wartet alles Fleisch auf dich,

Drüm, Vatter, speis' es mildiglich.

Wen deine Rechte gibt,

Wird alles, wer es noch so matt,

Durch solchen Segen stark und satt.
[225]

15.

Nim auch in diser Hungersnoht

Die Kraft nicht von dem lieben Brod,

Ach sättig' unsern Leib:

Verleihe, daß auf dein Befehl

Sich mehre Korn, Brod, Teig und Mehl.


16.

Für allen Dingen geb' uns Kraft

Dein Wohrt, der rechte Himmelssaft

Diß stärket Leib und Seel':

Man lebt ja nicht vom Brod allein,

Dein Heiligs Wohrt muß auch da sein.


17.

HERR, lindre diser Zeit Verdruß,

Da mancher Hunger leiden muß;

Immittelst gib Gedult,

Auf daß wir ja verzagen nicht,

Ob uns gleich Speiß' und Trank' gebricht.


18.

Nun du bist Gott von Alters her:

Und würd' es mir noch einst so schwehr,

Zu suchen hier mein Brod,

So weiß Ich dennoch, daß Ich sol

Im Himmel werden satt und vol.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 224-226.
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