Einladung nach der Insel Palmaria

[541] An den Freiherrn von Rumohr


1828.


Wo Spezias siebenbusiger Golf nach Westen hin

Sich öffnet gegen Korsika,

Stand ehedem ein Venustempel, jetzo ragt

Am Ufer eine kleine Stadt.

Ihr dehnt ein Eiland gegenüber lang sich aus,

Der Schiffer nennt's Palmaria:

Nur wenige Hütten zählt es, hier und dort verstreut,

Bewohner zählt es wenige;

Ölbäume stehn am minderschroffen Bergeshang,

Die meergewohnte Myrte blüht

Nach allen Seiten, Rebe gedeiht und Feigenbaum,

Den Gipfel krönen Pinien.

In einer Bucht am Ufer aber locke dich

Die kleine Villa halbversteckt.

Für diesen Sommer ist sie mein, und jeden Tag

Erquicken hier des Morgenwinds,

Der reinen Luft, des salzigen Bades Kühlungen,

Und ungestörte Muße mich.

Carraras Marmorberge steigen fern empor,

Zu ihren Füßen Lerici,

(Wo jenes Dichters Freund ertrank, und dann von ihm

Bestattet ward im Aschenkrug.)

Mit kahler Stirne ragen dort des Apennins

Bergrücken, während wohlgemut[541]

Vorüber leichte Schiffe ziehn, um hier und dort

Kaufmännisch aufzustapeln, was

An Pomeranzen senden mag Sizilien,

An fremden Weinen Genua.

Doch, wenn du dich einbürgern wolltest hier vielleicht,

So sollst du wissen, was gebricht:

Nichts fehlt zu dieses Aufenthalts Behaglichkeit

Als folgerechtere Küchenkunst;

Ein rauher Seemann waltet mir am Herde jetzt,

Der stets von Porto Venere

Des Morgens holt zu Schiffe meinen Hausbedarf,

Als Koch und als Matrose dient.

Da dies Bekenntnis im voraus ich abgelegt,

So darf ich immer sagen: Komm!

Wofern die Schatten deines florentinischen

Landhauses je du missen kannst,

Das oft als Gastfreund liebend mich und gern empfing,

Zu wohlbestelltem Tische lud;

Wofern in einem Himmelsstrich du leben magst,

Der keinen Raffael gebar;

(Doch zeugten diese Küsten auch Unsterbliche,

Kolumbus und Napoleon!)

Wofern du, dem so teuer ist toskanischer,

Vibrierter Konsonantenhauch,

An Genuesersprache dich, an gallische

Verweichlichung gewöhnen kannst:

So komm! Wo nicht, so lebe wohl! An jedem Ort

Bleibt stets ja doch dein Eigentum

Der edle Scharfblick, welcher mißt der Künste Reich,

Und eine Seele voll von Huld!

Doch eilst du dieser Insel zu, so male dir

Nicht Capri vor und nicht Sorrent,

Wo ewige Wollust flötet, als Sirene lauscht,

Und flötet ihren Klageton!

Torheit und Unruh waren's, deren falsche Hast

Mich nach dem Norden angespornt;

Doch folgte baldige Reue nach, und leise tritt

Sehnsucht in ihr poetisch Recht.

Sobald ich Mailands alten Dom und jene Stadt,

Die auf dem Meere steht, gesehn,

Sobald Ariosts und Dantes Grab ich fromm besucht,

Um deren edle Schläfe nie[542]

Lorbeern genug aufhäufen kann Bewunderung:

Verdoppelt eile dann der Schritt

Dem Süden wieder zugewendet pfeilgeschwind,

Anconas hohen Strand vorbei,

Und Rom sogar und Konradins Schlachtfeld vorbei,

Zurück in mein gelobtes Land,

Bis mich zuletzt absondere vom Gewühl des Tags

Der stillste Pomeranzenhain.


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 541-543.
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