Fünfzehnter Auftritt


[91] Die Vorigen. Dorfdeputierte. Landleute. Dienerschaft. Baculus und Gretchen mit der Schuljugend, alle geputzt, mit Fahnen, Kränzen usw. ziehen um die Buhne. Später Pancratius.


LANDLEUTE.

Unser Herr lebe hoch!

Er ist so brav, er ist so gut,

Unser Herr lebe hoch!

Jedermann er Gutes tut.

Unser Herr lebe hoch!

Die Frau Gräfin auch nicht minder;

Leider mangeln noch die Kinder,

Sonsten ließen wir daneben[91]

Auch noch die Familie leben.

Weil's dermalen nicht so weit,

Sparen wir's für künft'ge Zeit.

Unser Herr lebe hoch!

Die Frau Gräfin auch nicht minder;

Vivat hoch das edle Paar,

Wie heute, so noch manches Jahr.

GRAF der sich mit den übrigen in die Laube gesetzt hatte, steht auf.

Ich danke innig euch

Für eure Segenswünsche!

Begrüßet auch zugleich

Die Schwester eures Herrn,

Die mich in dieser Maske

So herrlich überraschte.

BACULUS, GRETCHEN.

Was hör' ich?

SCHULJUGEND.

Unsre Schwester lebe hoch!

LANDLEUTE.

Sie lebe hoch!

GRÄFIN.

Dies ist mein teurer Bruder!

SCHULJUGEND.

Unser Bruder lebe hoch!

LANDLEUTE.

Er lebe hoch!

BACULUS.

Wie soll ich das verstehen?

Wer ist der andre denn?

Den Stubenburschen mein' ich.

BARONIN.

Er ist mein Kammermädchen

Und meines Jägers Braut.

GRETCHEN zu Baculus.

Da sieht Er's.

BACULUS.

Höre, Gretchen,

Nun glaub ich deinem Schwur.

GRETCHEN.

Sie hat mich nicht getäuscht

Die Stimme der Natur.

BACULUS.

Ich bitte dich, zu schweigen.

BARON der sich inzwischen mit der Baronin verständigte.

So willigen Sie ein?

BACULUS erstaunt.

Was hör' ich?

BARON.

Bald wird Vermählung sein!

BACULUS.

Vermählung? Vermählung? O Mißgeschick!

Mein ganzer Handel geht zurück.

Ich abgesetzter Mann,

Was fange ich nun an?

BARONIN, BARON.

So sind wir nun verbunden;[92]

Sein / Mein Weltschmerz ist verschwunden,

Nur Freude füllt die Brust.


Baculus plötzlich von einem Gedanken ergriffen, eilt in den Hintergrund zur Schuljugend und läßt sie im Halbkreise, dem Grafen gegenüber, niederknien; er selbst kniet hinter der Front, ihnen zuflüsternd.


SCHULJUGEND mit gefalteten Händen.

O du, der du die Tugend selber bist,

Du bist aus edlem Blut, sei auch ein Christ!

Wir schwören hier zu deinen Füßen,

Im Leben keinen Bock zu schießen!

Erhöre uns, erhöre uns, sei bös nicht mehr

Und laß uns unsern lieben Schulmeister.

GRAF der mit den übrigen in Lachen ausbrach.

Der Unschuld Lallen rühret mich,

Ich will deshalb auch milde sein und Ihm –


Pancratius ist aufgetreten und sagt dem Grafen etwas ins Ohr.


ALLE gespannt.

Was ist geschehn?

GRAF.

Im Ernst?

PANCRATIUS.

Wie närr'sch!

GRAF in lautes Lachen ausbrechend, spricht. Der arme Teufel ist zwar schuldbewußt, aber auch unschuldig; denn soeben wird mir gemeldet, daß er in der Dämmerung anstatt eines Rehbocks seinen eigenen Esel erschossen hat.


Alle lachen.


BACULUS schlägt die Hände zusammen und spricht zu Gretchen. Hab' ich dir nicht gesagt, daß mich das Tier so wehmütig ansah? Singt.

Sie hat mich nicht getäuscht

Die Stimme der Natur.

LANDLEUTE.

Der Herr will milde sein

Und gnädig ihm verzeihn.

GRAF.

Wofern Er künftig nicht

Mehr Jägerei will treiben,

Mag Er fortan getrost

In seinem Amte bleiben.

LANDLEUTE.

Hoch lebe unser Herr! Hoch lebe unser Herr![93]

ALLE SOLI.

Wie heut sich alles

Uns zum Heil gestaltet!

GRÄFIN, GRAF, BARONIN, BARON.

Euch / Uns erblüht ein neues Leben

Durch der Ehe heilig Band,

Liebe wird euch / uns Freuden geben,

Da sich Herz zum Herzen fand.

BACULUS, GRETCHEN, LANDLEUTE.

Lasset hoch den Herren leben!

Herz bezeigt er und Verstand;

Zeugnis wollen wir ihm geben,

Daß sein Walten anerkannt!

Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 91-94.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon