Lob der Gottheit

[62] Tausend Sternenheere loben meines Schöpfers Macht und Stärke,

Aller Welten Himmelskreise preisen seiner Weisheit Werke,

Meere, Berge, Wälder, Klüfte, die sein Wink hervorgebracht,

Sind Posaunen seiner Liebe, sind Posaunen seiner Macht.


Soll ich denn allein verstummen? Soll ich ihm kein Loblied bringen?

Nein, ich will des Geistes Flügel auch zu seinem Throne schwingen;

Und wenn meine Zunge stammelt, o! so sollen nur allein

Dieser Augen milde Bäche Zeugen meiner Ehrfurcht seyn.


Ja, sie stammelt; sieh, o Schöpfer, meines Herzens Altar rauchen!

Könnt ich gleich den blöden Pinsel in der Sonne Flammen tauchen,

O! so würd von deinem Wesen doch durch ihn kein Strich gemacht;

Dir wird selbst von reinen Geistern nur ein schwaches Lob gebracht.


Wer heißt tausend tausend Sonnen, prächtig, majestätisch glänzen?

Wer bestimmt dem Wunderlauf unzählbarer Erden Gränzen?

Wer verbindet sie zusammen? Wer belebet jeden Kreis?

Deines Mundes sanfter Athem, HERR! dein mächtigstes Geheiß.


Alles ist durch dich. Die Schaaren ungeheurer Sphären liefen

Auf den Ton von deinen Lippen, durch die ewig leere Tiefen.[62]

Fische, Vögel, zahme Thiere, Wild das Feld und Hain durchstrich,

Und vernünftige Geschöpfe scherzten drauf, und freuten sich.


Du giebst den entzückten Blicken zwischen kräuterreichen Auen

Wälder, die sich in den Wolken fast verlieren, anzuschauen.

Du machst, daß darinn aus Felsen wütend sich ein Naß ergießt,

Das sich endlich blitzend schlängelt, und in Muscheln rieselnd fließt.


Du rührst, durch unzählige Gegenstände alle Sinnen,

Du läßt die Gesundheit blühen, und aus tausend Quellen rinnen,

Tränkest mit der Milch des Regens, und mit Thau die dürre Flur,

Kühlst die Luft durch sanfte Winde, und erfrischest die Natur.


Durch dich schmückt die Hand des Frühlings mit Tapeten unsre Gränzen,

Durch dich muß das Gold der Ähren, und der Trauben Purpur glänzen,

Du erfüllst die Welt mit Freude, wenn die Kälte sie besiegt,

Wenn sie eingehüllt in Flocken, wie in zarten Windeln liegt.


Durch dich kann des Menschen Seele in der Sternen Kreise dringen,

Durch dich weis sie das Vergangne, hat Begriffe von den Dingen,

Scheidt der Sachen Ähnlichkeiten von den Sachen selber ab,

Urtheilt, schließt, begehrt und scheuet, durch dich flieht sie Tod und Grab.


O! wer kann die Wunderwerke deiner Liebe gnug erheben!

Selbst das Unglück ist uns nützlich, und beseligt unser Leben.[63]

Zweifler rührt euch nicht die Liebe, o, so fürchtet seine Macht.

Zittert wie verscheuchte Sclaven, wenn des HErren Grimm erwacht.


Schaut! der Mittag wird verfinstert; es erwacht ein Schwarm von Eulen.

Schrecken überfällt die Lüfte, hört ihr ängstlich hohles Heulen;

Schaut! wie dort der Sturm die Klippen, als zerbrechlich Glas zerschmeißt,

Ganze Wälder wirbelnd drehet, und wie Fäden sie zerreißt.


Finstre Wolken, Bergen ähnlich, stossen ungestüm zusammen,

Schaut! aus ihren schwarzen Klüften brechen Ströme wilder Flammen;

Wald und Fluren stehn im Feuer, und die Glut zersprengt das Land,

Krokodille, Löwen, Tieger fliehen zitternd Dampf und Brand.


Wälder starker Masten stürzen vor der Wuth der Wasserwogen,

Auf zerstückten Brettern kommen Kriegesheere angeflogen,

Die der Sturm nebst Steur und Seegeln zu der Wolken Höhe schwingt,

Bis sie schnell der schwarze Rachen des ergrimmten Meers verschlingt.


Sagt, wer donnert in den Wolken? Sagt, wer brauset in den Stürmen?

Zweifler sprich! wer schwingt die Fluthen, die sich wie Gebirge thürmen?

Donner, Meer und Stürme rufen dir mit hohlem Brüllen zu:

O verwegenes Geschöpfe! Dies ist Gott! Was zweifelst du?
[64]

HErr, in meinem Munde sollen deine Thaten ewig schallen:

Aber laß dir nur die Schwachheit eines Wurmes wohlgefallen.

Du! der du das Innre prüfest, sieh der Seelen Regung an,

Die sie selber zwar empfinden; aber nicht beschreiben kann.


Werd ich einst vor deinem Throne mit gekröntem Haupte stehen,

Dann will ich mit edlern Liedern deine Majestät erhöhen.

O ihr längst erwünschte Zeiten, eilt mit schnellem Flug herbey,

Eilet, daß ich bald der Freude, sonder Wechsel, fähig sey.


Quelle:
Ewald Christian von Kleist: Sämtliche Werke. Stuttgart 1971, S. 62-65.
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