Ordonnanzen!

[156] Ordonnanzen! Ordonnanzen!

Meine Völker müssen tanzen,

Wie ich ihnen aufgespielt!

Eins – zwei – drei – und Runde! Runde!

Tanzet, ihr getreuen Hunde,

|: Wenn der König es befiehlt. :|


Lernt des Lebens Lust begreifen,

Euer König wird euch pfeifen –

Und ihr werdet ihn verstehn.

Nur im Kreise, nur im Kreise,

Nach dem Takt der Russenweise,

|: Nur um mich sollt ihr euch drehn. :|


Ich bin euer Kopf und Magen,

Antwort Ich auf alle Fragen,

Aller Rede letzter Sinn;

Ihr der Abglanz nur des Fürsten –

Und wer wagte noch zu dürsten,

|: Wenn ich selber trunken bin? :|


Volksvertreten? Volksvertreten?

Beten sollt ihr, ruf ich, beten!

Ich bin Solon und Lykurg!

Brecht mir nicht des Schweigens Siegel,

Denn ich habe Schloß und Riegel;

|: Gott ist eine feste Burg! :|


Ordonnanzen! Ordonnanzen!

Meine Völker müssen tanzen,

Wie ich ihnen aufgespielt!

Tanzt, o Polen – tanzt, o Deutsche,

Alle nach derselben Peitsche,

|: Wenn der König es befiehlt! :|
[156]

Ich bin König, meine Gründe

Donnern durch Kanonenschlünde

In des Pöbels taubes Ohr;

Rasselt irgendwo die Kette,

Hunderttausend Bajonette

|: Schaffen Ruhe wie zuvor. :|


Wer sich rühret, wird geschlossen

Und wo möglich schon erschossen,

Eh man ihm das Urteil fällt.

Die Justiz – geheim und schnelle,

Fördert noch vor Tageshelle

|: Jeden Meutrer aus der Welt. :|


Freiheit – welch ein toll Begehren!

Ja, der Henker soll sie lehren

Euch zum Schrecken und zum Graus;

Wird der Vorrat hier zu mager,

Hilft ja gern mein lieber Schwager

|: Mir mit seinen Galgen aus. :|


Ordonnanzen! Ordonnanzen!

Meine Völker müssen tanzen,

Wie ich ihnen aufgespielt!

Tanzt, ihr Deutschen – tanzt, ihr Polen,

Wie der Zar es mir befohlen,

|: Wie's der König euch befiehlt! :|


Jeder Flügel sei beschnitten,

Auch dem Amor – der die Sitten

Unsres Reichs kompromittiert.

Und von nun an sei bewußtes

Bett von weiland Herrn Prokrustes

|: Als Reichsehbett eingeführt. :|
[157]

Nur ein Vorurteil ist Liebe;

Unsre ungestümen Triebe

Zügl ich durch ein christlich Joch.

Ich bin Herr von allen Sachen,

Und allein das – Kindermachen

|: Laß ich euch in Gnaden noch. :|


Ich verbiete, ich erlaube,

Ich nur denke, ich nur glaube,

Und ihr alle seid bekehrt.

Jeden Zweifel löst die Knute:

Hat man denn das Absolute

|: In Berlin umsonst gelehrt? :|


Seid ihr denn nicht meine Knechte?

Und ihr fragt nach einem Rechte,

Wenn der König was befiehlt?

Ordonnanzen! Ordonnanzen!

Meine Völker müssen tanzen,


Wie ich ihnen aufgespielt!
[158]

Quelle:
Herweghs Werke. Berlin und Weimar 1967, S. 156-159,163.
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