Liebhaber in allen Gestalten

[26] Ich wollt, ich wär ein Fisch,

So hurtig und frisch;

Und kämst du zu anglen,

Ich würde nicht manglen.

Ich wollt, ich wär ein Fisch,

So hurtig und frisch.


Ich wollt, ich wär ein Pferd,

Da wär ich dir wert.

O wär ich ein Wagen,

Bequem dich zu tragen.

Ich wollt, ich wär ein Pferd,

Da wär ich dir wert.


Ich wollt, ich wäre Gold,

Dir immer im Sold;

Und tätst du was kaufen,

Käm ich wieder gelaufen.

Ich wollt, ich wäre Gold,

Dir immer im Sold.


Ich wollt, ich wär treu,

Mein Liebchen stets neu;

Ich wollt mich verheißen,

Wollt nimmer verreisen.

Ich wollt, ich wär treu,

Mein Liebchen stets neu.


Ich wollt, ich wär alt

Und runzlig und kalt;

Tätst du mir's versagen,

Da könnt mich's nicht plagen.

Ich wollt, ich wär alt

Und runzlig und kalt.
[26]

Wär ich Affe sogleich,

Voll neckender Streich';

Hätt was dich verdrossen,

So macht ich dir Possen.

Wär ich Affe sogleich,

Voll neckender Streich'.


Wär ich gut wie ein Schaf,

Wie der Löwe so brav;

Hätt Augen wie's Lüchschen

Und Listen wie's Füchschen.

Wär ich gut wie ein Schaf,

Wie der Löwe so brav.


Was alles ich wär,

Das gönnt ich dir sehr;

Mit fürstlichen Gaben,

Du solltest mich haben.

Was alles ich wär,

Das gönnt ich dir sehr.


Doch bin ich, wie ich bin,

Und nimm mich nur hin!

Willst du beßre besitzen,

So laß dir sie schnitzen.

Ich bin nun, wie ich bin;

So nimm mich nur hin!


Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 1, Berlin 1960 ff, S. 26-27.
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