[64] 1.
Ich grüße dich, du frömmster Mann,
Der herzlich gern vergibet,
Wie schmerzlich weh wird dir getan,
Wie wird dein Leib betrübet!
Es grüßet dich mein ganzer Geist,
Du meines Heilands Seite,
Du edler Quell, aus welchem fleußt
Das Blut, das so viel Leute
Von ihren Sünden wäschet.
2.
Ich mach, Herr Jesu, mich zu dir,
Ach, halt mirs ja zugute,
Und laß mich suchen Trost für mir
In deiner Wunden Blute!
Du werte Wunde, sei gegrüßt,
Du weites Tor der Gnaden,
Daraus sich Blut und Wasser gießt
Und da all unserm Schaden
Kann abgeholfen werden.
3.
Du räuchst mir süßer als der Wein
Und heilst das Gift der Schlangen,
Du flößest mir das Leben ein[64]
Und stillst des Dursts Verlangen:
Eröffne dich, du liebe Wund,
Und laß mein Herze trinken!
Ists möglich, laß mich gar zu Grund
In dir gehn und versinken,
So werd ich mich recht laben.
4.
Mein Mund streckt sich mit aller Kraft,
Damit er dich berühre
Und ich den teuren Lebenssaft
In Mark und Beinen spüre.
Ach wie so süße bist du doch,
Herr Jesu, meinem Herzen!
Wer dich recht liebt, dem wird das Joch
Der bittern Todesschmerzen
Gleich als wie lauter Zucker.
5.
Verbirge mich und schleuß mich ein
In deiner Seiten Höhle!
Hier laß mich still und sicher sein,
Hier wärme meine Seele,
Wann mich der kalte Tod befällt,
Und wann der höllsche Leue
Nach mir und meinem Geiste stellt,
So laß in deiner Treue
Mich dann fein ruhig bleiben.
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