Sonntags-MorgenLied

[98] Nach der Singweise: Wie schön leuchtet der Morgenstern.


1.

Gegrüßet sei, der iezt anbricht,

Der Tag, der aller Tage Liecht,

Der alles Liechtes Quelle.

Du auch, O Schöpfer, sei gegrüst,

Der du des Liechtes Vatter bist,

Machst Erd und Himmel helle.

Sonne,

Wonne

Kehret wieder,

Heischet Lieder,

Dich zu preisen.

Mein Dank sol gen Himmel reisen.


2.

Der Tag sei ein Versöhnungs-Tag,

Daß mein Gebet zu dir hin mag,

Zu mir dein Gnade steigen.

Die SündenWolke schaff beiseit:

Mir kan vor ihrer Dunkelheit

Die Sonne sich nicht zeigen.

Ach ja,

Abba!

Höchste Liebe,

Mir vergibe

Alle Schulde.

Ich verseh mich deiner Hulde.


3.

Hier ist mein Herz, das finstre Haus:

Gib diesem auch den Tag heraus,

Du, der du wohnst im Liechte.

Sprich heut: »Es werde Liecht!« in mir.

Du, mein' Aurora, tritt herfür

Und meine Nacht vernichte.

Ja du,

JESU,

Du bist Wonne,

Du bist Sonne,

Liecht der Erden:

Laß auch mich erleuchtet werden.


4.

Ja, ewigs Liecht, erleuchte mich,

Laß mich in deinem Worte dich,

Mein Schönster, heut ersehen.

Dein Geist beglanze meinen Geist,

Daß ich, was Gott-gefällig heist,

Mög fassen und verstehen.

Laß mir

Von dir

Seeligs wissen

Reich zufliessen.

Deinen Willen

Lerne heut mein Will erfüllen.


5.

Dein Wort, dein heiligs Wort allein

Kan meines Lebens Leuchte seyn,

Ohn Anstoß fort zu gehen.

Diß sei der FeuerSeule Brand,

Die zum gelobten HimmelsLand

Den Weg mich mache sehen.

Gib Schein

In mein'

Herz-Laterne;

Du Lucerne,

Mich regire,

Daß kein Irrliecht mich verführe.
[98]

6.

Lehr mich ein Kind des Liechtes seyn,

Mein Glaub' in LiebesWerken schein'

Und vor den Leuten leuchte;

Und daß die Lampe meiner Seel

Hellbrennend bleib, dein Geistes-Oel

Den schwachen Docht befeuchte.

Heute

Streute

Sich das theuer'

Himmels-Feuer

Auf die Deinen:

Laß es mir auch iezt erscheinen.


7.

O Sonn'! ich stelle mich hinein

In deinen schönen Gnaden-Schein,

Auf daß ich süß erwarme.

Mein Glaube soll als Simeon

Im Tempel, dich, Marien-Sohn,

Heut nehmen auf die Arme.

Mach mir

Nach dir

Heilig brennen,

Himmel-rennen

Die Gedanken:

Laß sie zu der Welt nicht wanken.


8.

Heut stiegest du aus deinem Grab,

Der Tod dich lebend wiedergab,

Ich lag im Tod der Sünden.

Ach! diesen man begrub mit dir:

Erlöser! möchtest du an mir

Ein neues Leben finden!

Geh du,

Jesu,

Meine Kerze,

In diß Herze

Als zu Grabe:

Dann leb ich, wann ich dich habe.


9.

Zween Jüngern macht' im Herzen heiß,

Die heut gethan die Sabbath-Reis,

Dein Reden und Geleite.

Kom, Feur, geselle dich zu mir.

Hör' ich dein Wort, ich bin bei dir.

Mach mich auch brennen heute,

Bis ich

Endlich

Werd in Wonne

Wie die Sonne

Leuchten droben:

Da will ich dich ewig loben.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 98-99.
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